Ein Freitagnachmittag, Kuchen und Kaffee, in Zeiten, in denen Begegnungen rar geworden sind. Ich habe mich mit Jörg verabredet, um ein wenig mehr über die Geschichte von ihm und damit auch Trotzdem e.V. zu erfahren. Es kommen unglaublich viele Facetten zum Vorschein und die Zeit verfliegt. Wer die Chance haben sollte, mit Jörg das ein oder andere Thema mal persönlich zu vertiefen – ich kann es euch nur empfehlen!
Seit 1998. Mein erster Fall, der war in Duisburg. Ich hatte den Auftrag, einen jungen Mann namens Sebastian zu begleiten. Ich sollte mit ihm gemeinsam eine Wohnung suchen. Er übernachtete zu der Zeit heimlich im Kino. Jörg lacht- das waren sehr verrückte Zeiten und es hat viel Spaß gemacht. Die Hilfe endete erfolgreich mit der Überleitung an das Sozialamt nach Erreichen der Volljährigkeit. Dazwischen gab es viele Episoden, die wir gemeinsam gemeistert haben. Ich erinnere mich an die Ausstattung der Wohnung. Sebastian wollte unbedingt einen bestimmten Grillbackofen haben. Das sprengte das Budget aber so deutlich, dass ich mich durchgesetzt habe und wir stattdessen doch einen Kühlschrank gekauft haben. Als ich abends zu Hause ankam, rief er mich an und drohte, den Kühlschrank aus dem Fenster zu werfen. Als ich den Kühlschrank das nächste Mal zu Gesicht bekam- er lag nicht auf der Straße, schiebt Jörg ein und lacht- hatte er eine riesige Delle, weil Sebastian ihn in seiner Wut auf mich mit dem Fuß getreten hatte. Ähnlich verrückte Geschichten haben wir mehrfach miteinander erlebt, berichtet Jörg.
Ich komme aus einem ganz anderen Arbeitsbereich, und das war der reine Zufall, dass ich bei Trotzdem e.V. gelandet bin, berichtet Jörg weiter. Nach einer freiberuflichen Tätigkeit für eine Werbeagentur landete ich wieder da, wo ich mahl hergekommen war: Bei der Sozialpädagogik. Eine Bekannte machte mich auf einen neuen Jugendhilfeträger aufmerksam, der Personal suchte. Das war dann Trotzdem e. V. und ein bisschen verrückt: Das erste Gespräch fand statt im Kellerbüro von Elke. Danach gab es eine Vorstellungsrunde in Elkes Wohnung. Etwas später habe ich dann meinen ersten Auftrag bekommen, im Spätsommer 1998
Zum Einen ist Trotzdem e.V. natürlich der Träger, bei dem ich diese Arbeit begonnen habe. Andererseits schätze ich die pädagogische Gründlichkeit sehr, mit der dort nach wie vor gearbeitet wird. Die Fachbegleitungen etwa sind immer gut vorbereitet und bieten Raum auch für kontroverse Betrachtungen des Falles, der Klienten.
Ich habe natürlich auch allerlei strukturelle Veränderungen in der Jugendhilfe miterlebt, zum Beispiel Bemühungen um die Formalisierung von Berichten und Hilfeplangesprächen, wovon Düsseldorf dann aber zum Glück wieder abgerückt ist.
A propos abrücken: Zu Beginn konnte ich als Freiberufler bei Trotzdem 14 Tage bezahlten Urlaub nehmen- berichtet Jörg und lacht. Leider wurde das recht zügig aufgrund der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit abgeschafft.
Wenn ich mal Leerlauf hatte zwischen zwei Terminen, waren die Räume von Trotzdem auf dem Fürstenwall für mich lange Zeit ein Anlaufpunkt mit gewissermaßen familiärer Anmutung. Das ist aus meiner Sicht anders geworden, als der Träger umgezogen ist auf die Berliner Allee. Auch wenn am Ende des Tages alle Träger mit Wasser kochen, ist die Verbindung zu Trotzdem anders. Um auch ein wenig Kritisches hinzuzufügen, möchte ich an dieser Stelle schon sagen, dass manche Dinge bei Trotzdem etwas unpragmatisch und behäbig von mir erlebt wurden.
Das kann ich so gar nicht sagen. Prinzipiell hängt das für mich maßgeblich von den Personen und Klienten ab. Ich mag die verschiedenen Facetten der Fälle sehr gerne. Am Ende begegne ich den Menschen. Es freut mich, wenn ich mit Familien gemeinsam lachen kann und humorvolle Menschen antreffe. Wichtig ist für mich immer, welche Beziehung ich mit den Menschen herstellen kann und ob dadurch eine Bewegung erzeugt werden kann.
Bescheiden sein, das ist das Wichtigste. Ich finde, wir sollten uns nicht einbilden, dass wir Menschen retten können. Retten können sie sich nur selbst. Wenn’s gut läuft, dann können wir sie dabei ein bisschen unterstützen. Das Tempo gibt immer der Klient vor. Wenn wir schneller sein wollen, werden wir ihn los. Die einzige Erwartung ist, dass Beziehung möglich wird. Ohne diese Grundlage, also eine wertschätzende Arbeitsbeziehung, kann sich aus meiner Sicht nix Gutes entwickeln. Als ich mal einen Jugendlichen nach vielen Jahren zufällig auf der Straße traf, ergab sich ein für mich sehr lehrreiches Gespräch. Denn es zeigte sich, welche Bedeutung die gemeinsame Arbeit für ihn gehabt hatte, was ihm in Erinnerung geblieben und wie nah ich ihm gekommen war, ihm, der mich doch immer auf Abstand gehalten hatte, jedenfalls in meiner Wahrnehmung. Das hat mich sehr gefreut.
… das hier so nett ist.“ kommt umgehend. Später ergänzt er:
… ich da so sein kann, wie ich bin.“ Ich schätze die Auseinandersetzung miteinander und mit den Themen, die wir eben alle so mitbringen. Ich habe immer das Gefühl, das Andersartigkeit gewünscht und akzeptiert ist. Man darf denken wie man will, und es gibt auch Widerspruch- das schätze ich sehr.
Ich bedanke mich bei Jörg für dieses kurzweilige Interview! Es war sehr erfrischend dir und deinen Erlebnissen zu lauschen. Mit deiner humorvollen und manchmal flapsigen Art hast du deine Geschichten mit mir geteilt und mir damit auch ein Stück der Geschichte von Trotzdem e.V. geschenkt! Vielen Dank dafür!
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