Die Maidornstraße ist eine Wohngruppe mit einem systemisch-integrativen Ansatz. Hier leben bis zu sechs männliche Jugendliche, die in ihrer Identitätsfindung Unterstützung von außen benötigen. Aufgrund traumatischer Erlebnisse gelingt es den Jugendlichen weniger gut, den sozialen Anforderungen unserer komplexen Gesellschaft zu entsprechen.
Scheinbar leichte alltägliche Aufgaben können zu enormen Hindernissen avancieren, da sie die Gravur negativer Erfahrungen tragen. Um dem klassischen Teufelskreis aus Regelverletzung, Sanktion und Eskalation zu entkommen, braucht es kreative Beziehungsangebote. Diese können nicht immer langfristig geplant werden, sondern müssen oft ad hoc in der Interaktion gewonnen werden.
Im Wäschekeller türmen sich die Klamotten der Jugendlichen. Hemden und Hosen, einst sorgfältig gefaltet, wurden auseinander gerissen. Das Chaos hat die Oberhand gewonnen und beherrscht das Ambiente. Die Gründe liegen auf der Hand. Wer bei den sechs Jungs, die in der Maidornstraße wohnen, noch unterscheiden will, wem was gehört, braucht schon ein fotografisches Gedächtnis. Alle anderen sind verloren und können die Wäschestapel nur nach gut Glück ordnen. Kaum kommt ein Jugendlicher aufgrund von Mangel an frischer Kleidung in den Keller, zerrupft er seelenruhig die Stapel und nimmt sich, was er braucht. Die angestrebte Lösung ist zwar nicht sehr innovativ, für ihn aber praktikabel.
Die Kleidungsstücke sollen zusammen mit den Jugendlichen beschriftet werden, damit nun selbst neue Mitarbeiter in der Lage sind, das Puzzle zu lösen. Zusammen mit M. kämpfe ich mich durch den Wühltisch und wir beschriften, wo wir nur können. Danach legen wir die Klamotten sorgfältig zusammen und denken, wo wir schon mal dabei sind, räumen wir die doch gleich in den Kleiderschrank. Im Zimmer stolpern wir über die Blades von M., und er erzählt mir von seiner Leidenschaft zum Skaten. Hier öffnet sich ein kleines Motivationsfenster in einer sonst eher durch Ablehnung und Desinteresse geprägten Welt.
Ich schnappe mir den Strohhalm und frage, ob es nicht cool wäre, wenn wir ein Rail bauen würden. Danach verbringt M. zwei Tage mit einem Kollegen in der Werkstatt. Metall wird zurechtgeschnitten, verschweißt und in unendlicher Geduld geschliffen und poliert. Hier werden nicht nur die offensichtlichen handwerklichen Fertigkeiten erlernt und geschult, sondern auch elementare Fähigkeiten für die Entwicklung einer selbst-bestimmten Persönlichkeit. Der Jugendliche muss sich seiner Arbeit mit Ausdauer und Beharrlichkeit stellen. Er lernt, dass Bedürfnisse nicht immer sofort erfüllt werden, er aber dafür Befriedigung im Prozess erfahren kann. Schlussendlich gibt es dann ein Erfolgserlebnis. Das Rail ist fertig, und M. zieht sich seine Inliner an und fährt los. Leider ist das Rail zu wackelig und kippt um. Es braucht eine Verankerung im Boden. Nur gibt es keinen Platz, wo es dauerhaft befestigt werden kann, ohne im Weg zu stehen. Der Frustpegel steigt und es braucht dringend eine kreative Lösung.
Kurz bevor M.s Leben durch einen weiteren Misserfolg bereichert wird, kommt Herr K. vorbei. An das Rail werden zwei weitere Rohre geschweißt, die exakt in den Gullideckel passen. So erhält das Rail seine Stabilität. M. fährt, springt und grinded unter den Augen der Bewohner der Maidornstraße über das Rail. Die Augen leuchten und M. hat angefangen, die Welt um sich herum nicht als gegeben zu begreifen, sondern als einen Ort, der aktiv gestaltet werden kann.
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